Mr. Nobody?

Wer sind wir auch schon? Was macht uns zu dem, was wir zu sein glauben? Wie schaffen wir es, nicht jeden Tag als jemand anderes aufzuwachen? Was hält uns im Innersten zusammen? Welcher Charakterkit klebt die vielen Fragen, Träume, Illusionen von uns selbst als Ganzes zusammen?

Dass diese Fragen nicht ganz unbegründet sind, fällt immer nur dann auf, wenn etwas, jemand oder ein Ereigniss diese ganzen Selbstverständlichkeiten in Frage zu stellen scheinen.

Ich sitze in der Linie 1 nach Köln. Eine ältere Frau betritt die Bahn, eine Plastiktüte an jeder Hand, Wollmütze bei 23 Grad. Sie sieht nicht nach DINNorm aus – und so spricht sie auch nicht:
Ich muß Sie alle warnen.


Mitten im Gang hat sie sich aufgestellt, Ihre Blicke wandern durch die Reihen gleichfrisierter Mittelstandsbürohamster. Die ältere Frau hat ihren Stolz nicht verloren. Würde sie stinken, dreckig aussehen, nuscheln, es wäre leicht einfach weg zu hören.

    Die machen Experimente unter der Erde. Ich hab’s selbst gesehen. Die wollten mich nicht gehen lassen. Ich bin aber abgehauen. Jajaaaa, glotzen Sie ruhig!

Ihre Augenbrauen sind leicht angehoben. Ein leichtes Zucken umspielt die Mundwinkel. Der Schlipsträger gleich neben Ihr versucht ein verzweifeltes Lächeln, sucht hoffnungslos, beinahe panisch den verständnisvollen Blickkontakt zu seinen Hamsterkollegen. Vor meinen Augen entfaltet sich automatisch ein Storyboard mit unglaublichen Szenen. Die Plastiktaschenfrau hebt Ihre Stimme und ich falle fast vom Bahnhocker:

    Mit Menschen! Ich hab’s selber gesehen. Die machen Experimente mit Menschen. Unter der Erde! Sagen Sie’s allen! Das muss jeder wissen. Ich bin gerade noch weg gekommen. Mit Menschen!

Ne, schon klar. Experimente mit Menschen unter der Erde. Der Gedanke an „Soylent Green“ presst sich durch mein Hirn. Die gemeine Frage ist ja nicht „Hat die noch alle Murmeln beisammen?“, sondern die Frage müsste etwas verwegener lauten „Aber was wäre wenn?“. Dass Leute scheinbar ohne eigene Vergangenheit immer wieder auf der Bildfläche erscheinen ist ja keine Neuigkeit. Es sind die Mr. Nobodys und Piano Mans, die einem die immer gleiche Frage durch den Kopf treiben: „Wer sind wir?“ und „Wer sagt eigentlich, dass wir sind, wer wir sind?“.

Der Mann, der vom Himmel fiel? Mr. Nobody? The invisible Man? Mystery Man? Sie alle wissen weder wer sie sind, noch woher sie kommen. Niemand kennt sie und zu keinem haben sie eine Verbindung. Nicht heute und nicht in der Vergangenheit. Es sieht fast so aus, als kämen sie zum ersten Mal mit unserer Zivilisation in Kontakt. Nur wo waren sie davor? Allesamt entflohen aus unterirdischen Labors? Ok, jetzt wird’s abenteuerlich…

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